Man muss nicht immer gegen Wände laufen
Eine erstaunliche Entwicklung in 3 Monaten Individueller beruflicher Förderung
Frankfurt I Als Daniel L.*, 22 Jahre, seine Reha-Ausbildung zum Anwendungsentwickler im Sommer 2021 abschloss, war er erst einmal erschöpft.
„Meine Ausbildung hat mich viel Kraft gekostet. Außerdem musste ich mein Leben wieder sortieren. Ich hatte harte Jahre hinter mir.“ Resümiert der junge Absolvent. „Ich war gegenüber meiner Rehaberaterin in der Bundesagentur sehr ehrlich. Ohne Ziel oder Struktur würde ich bald keinen Sinn mehr finden, um morgens aufzustehen.“
Als Daniel dann ein das Coachingangebot im Bildungswerk Frankfurt vorgeschlagen wurde, war er erst einmal skeptisch: „Wenn man das Wort ‚Maßnahme‘ hört, denkt man erst einmal ‚Druck‘ und ‚Funktionieren-Müssen‘ und in schlimmsten Fall ‚Ärger‘“. Dementsprechend bedrückt war Daniel, als er Ende August 2021 im Bildungswerk das erste Mal eintraf.
„Ich war total überrascht. Ich wurde hier echt ‚menschlich‘ behandelt- nicht wie eine Nummer oder so. Die Leute hören hier zu und sind immer für einen da. Sie wollten mit mir das finden, was ich wirklich gut kann und was mir liegt“, erinnert sich der mittlerweile berufstätige IT-Fachmann.
„Wir wussten, dass die jungen Leute oftmals ‚Maßnahmen-Karrieren‘ hinter sich hatten. Erst die Förderschule, dann die Berufsvorbereitung, anschließend die Reha-Ausbildung, oft in den Berufsbildungswerken. Das sind zumeist große Institutionen, die ihre eigene Dynamik und oft noch zu wenig Bezug zur beruflichen Realität haben. Es bringt dann nichts, von den Absolventen zu erwarten, dass sie plötzlich genau wüssten, was sie können, wollen und wie der Arbeitsmarkt funktioniert. Es fehlte ihnen häufig einfach an Zeit, nachzudenken und zu verstehen, was zu ihnen passt, was Sache ist. Wir hatten den Luxus, viel im Einzelcoaching zu arbeiten und unsere Teilnehmer kennenlernen zu dürfen. Das hieß dann auch mal, über die Dinge zu sprechen, die auf den ersten Blick erst einmal nichts mit der Jobsuche zu tun hatten, die jungen Leute jedoch trotzdem viel beschäftigen. Probleme lösen gehört ja auch zum erwachsen werden dazu.“, beschreibt die Sozialarbeiterin Urte-Maren Schulz die Herangehensweise des Teams. Zusammen mit dem Job Coach Judith Habtamu und dem Psychologen Christopher Castner betreute sie die 16 Absolventen im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit Bad Homburg.
Auch Daniel durchlief einen ganz eigenen Erkenntnisprozess: „Ich hatte mich so angestrengt, Anwendungsentwickler zu werden. Selbstverständlich dachte ich dann, Anwendungsentwickler werden zu müssen. Ich kannte ja nichts Anderes“. Als das erste Vermittlungspraktikum in der Anwendungsentwicklung dann ohne Übernahme endete, war ich niedergeschlagen. Ich konnte das so einfach nicht leisten. Diese Dauerkonzentration, das Stillsitzen. Ich unterhalte mich gern und suche den Kontakt zu anderen. Schon wieder stand ich vor einer Wand und kam nicht weiter. Man muss dann aber trotzdem weiter offen und auch ‚menschlich‘ bleiben. Es nutzt ja nichts, zuzumachen und selbst ‚zur Wand‘ zu werden.“
Was in dem einen Arbeitskontext ein Problem ist, kann in dem anderen jedoch zum Erfolg führen: „Wir nehmen die Teilnehmer erst einmal so, wie sie sind. Es ist unsere Aufgabe, Arbeitsstellen zu finden, in dem die Eigenschaften der Absolventen echte Stärken sind“, erklärt Job Coach Judith Habtamu.
Daniel erfuhr im Gespräch mit ihr, dass im IT-Support kommunikative Fähigkeiten ein attraktives Plus bei Bewerbern sind. So begann ein intensiver Bewerbungsprozess, der länger als die eigentliche Maßnahme dauerte. Trotzdem kam Daniel noch regelmäßig ins Bildungswerk, um mit dem Job Coach zu recherchieren und sich potentiellen Arbeitgebern zu empfehlen. Der Kontakt zum Bildungswerk war ihm weiterhin wichtig.
Als Daniel Mitte Januar 2022 dann den ersten Arbeitsvertrag als IT-Supportmitarbeiter bei einem Gesundheitsdienstleister unterschrieb, tat er dies im Bildungswerk. In all den Wänden gibt es eben auch manchmal eine Tür.
Der nächste Durchgang der individuellen Maßnahme zur beruflichen Eingliederung über die Agentur für Arbeit Bad Homburg beginnt im Spätsommer 2022.
*Name geändert
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