Michelstadt | „Der ärmste Mensch ist der, der keine Aufgabe mehr hat.“ So einst der Theologe und Philosoph Albert Schweizer. Arbeitslosigkeit trifft die meisten Menschen sehr hart, nicht nur in ihrer Existenz. Die Corona-Krise macht die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz nicht leichter. Umso besser, wenn bei Arbeitsplatzverlust Suchenden qualifizierte wie kompetente Hilfe zur Seite steht.

Anfang 2019 startete das Projekt CoachingCenter, ausgeführt vom Michelstädter Standort des BWHW (Bildungswerk des Hessischen Wirtschaft e.V.) im Auftrag der Agentur für Arbeit. Bis heute, und damit auch durch die Corona-Krise hindurch, mit großem Erfolg.

„Wir arbeiten nach der Fünf-A-Regel: angenehm anders als alle anderen“, so Thomas Göttmann, Projektbeauftragter des CoachingCenters. „Wir bieten ein sehr intensives, aber auch sehr individuelles Coaching“, erklärt er.

Das professionelle Team des CoachingCenters trifft auf unterschiedlichste Menschen, die ihren bisherigen Arbeitsplatz verloren haben: Frauen und Männer von U25 bis 50plus, von ungelernter bis zur akademischen Laufbahn. Menschen mit sehr verschiedenen Rahmenbedingungen, ob familiäre Verpflichtungen, Mobilitäts- und Flexibilitätsmöglichkeiten oder gesundheitliche Einschränkungen.  Mit pauschaler Unterstützung wie dem reinen Erstellen von Bewerbungsunterlagen und der Vorlage freier Stellen kommt man da nicht weiter, weiß das Team des CoachingCenters. Bewährt hat sich seit 2019 ein Konzept, das sehr individuelles Arbeiten bezogen auf jeden Einzelfall zulässt.

Nicht nur, dass es 14 Module gibt, die jeweils unterschiedliche Bereiche und Ziele abdecken, auch innerhalb der Module steht der Einzelfall im Vordergrund. So wird ein umfassendes Profiling erstellt, die persönlichen Bedarfe, Stärken und Möglichkeiten gemeinsam mit den Arbeitssuchenden erarbeitet. Zum Einsatz kommen dabei modernste Kompetenzfeststellungsprogramme und eine umfassende Standortanalyse. Stets auf Augenhöhe wird eine Strategie erarbeitet. Oberstes Ziel ist es, nicht „irgendwohin“ zu vermitteln, sondern eine nachhaltige berufliche Zukunft zu erreichen.

Innerhalb der einzelnen Module werden neben dem Optimieren der Bewerbungsunterlagen, dem Training für digitale wie präsente Vorstellungsgespräche auch das Erweitern der EDV-Kenntnisse, der Möglichkeiten um Umschulung wie Weiterbildung, Arbeitsmarkt und Chancen vermittelt. Hinzu kommt eine sozialpädagogische Einzelfallbegleitung, um die Lebenssituation hinsichtlich einer beruflichen Zukunft zu verbessern. Sprachbarrieren können innerhalb des Teams auch in englischer wie türkischer Sprache überwunden werden.

Wie individuell die Lösungen sein können, wird an folgenden Fallbeispielen deutlich: Frau B., 23 Jahre alt, hatte ihre Bäckerinnenausbildung nach einem Jahr abgebrochen, als sie 2019 zum CoachingCenter kam. Zwei Ziele kristallisierten sich bei der Arbeit mit der jungen Frau heraus: Bäckerin wollte sie immer noch werden, zudem zog es sie schon immer ans Meer. An der ostfriesischen Nordseeküste wurde ein Betrieb gefunden, der beide Ziele vereinte. Nach zwei Probewochen des gegenseitigen Kennenlernens dort entwickelte sich alles perfekt. Erfolgreich konnte sie ihre Ausbildung in der neuen Wunschheimat fortsetzten.

Ebenso 23 Jahre alt war Frau E., die arbeitssuchende, frisch ausgebildete Fachpraktikerin für Hauswirtschaft (schulische Ausbildung) wollte in die Pflege und sich dort beruflich weiterentwickeln. Probetage in dem Bereich bestätigten sie. Gefunden wurde eine Stelle zunächst als Pflegehelferin, die später in eine Ausbildung münden sollte. Seit Januar 2022 ist sie in der Ausbildung.

Auf eine ganz andere Lebenssituation stieß das CoachingCenter-Team bei Frau C., 41 Jahre, alleinerziehende Mutter zweier Kinder und somit Familienversorgerin. In ihrem Heimatland als Damenschneiderin ausgebildet, erlebte sie im Odenwald bei Näharbeiten auf geringfügiger Basis Perspektivlosigkeit. Kontaktfreudigkeit und Lernbereitschaft waren unter anderem die Stärken, die bei Frau C. festgestellt wurden. Gut vorbereitet auf Vorstellungsgespräch wie Schnuppertage erzielte sie die Ausbildung zur Zugbegleiterin und ist dort heute tätig.

Nach ganzen 30 Jahren als Fuhrparkleiter in einem führendem deutschen Automobilkonzern musste sich Herr M. im Alter von 56 Jahren neu orientieren. Aufgrund gesundheitlicher Probleme hatte er sich mit seinem Arbeitgeber auf eine Abfindung geeinigt. Da er 30 Jahre lang keinen Bewerbungsprozess mehr erlebt hatte, nahm er die Hilfe des CoachingCenters gerne an. Diesbezüglich gestärkt verließ er das Projekt zunächst regulär. Wieder auf sich alleine gestellt, keimte der Wunsch auf, die Unterstützung noch einmal in Anspruch zu nehmen, insbesondere in den Bereichen Einzelcoaching, EDV und Vorstellungsgesprächsvorbereitung. Er ließ sich Anfang März ein zweites Mal zuweisen. Mit Erfolg. Heute ist er Verantwortlicher für einen Fuhrpark und die Logistik eines mittelständischen Unternehmens in der Region. Sein Fazit: „Ohne das CoachingCenter und die kompetente Unterstützung war das nicht möglich!“

Jeden Montag kommen neue Teilnehmende, zugewiesen von der Agentur für Arbeit, die hier Hilfe erhalten können. „Es kommen nicht alle“, so Thomas Göttmann, „wer aber kommt, bleibt gerne und weiß unsere Hilfe zu schätzen.“ Bestätigt wird er von den Bewertungen der Teilnehmenden, besser als die Note 1,5 waren alle, die meisten gut unter 1,4. Von 2019 bis heute haben von 757 Teilnahmen (596 Teilnehmende), manche kamen gerne ein zweites Mal, knapp die Hälfte, genau 47,58 Prozent, einen neuen Arbeitsplatz gefunden, einige junge Menschen darunter auch eine Ausbildung.  245 Menschen aus dem Odenwaldkreis haben, trotz Corona-Krise, eine neue berufliche wie existenzielle Zukunft gefunden. „Ein Ergebnis, auf das wir stolz sein können“, so Göttmann.

Info: Teilnehmen am CoachingCenter können alle bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldete Menschen. Die Anmeldung erfolgt über die Agentur für Arbeit. Ansprechpartner für weitere Infos im BWHW siehe unten: