Der Digitalisierung sind keine Altersgrenzen gesetzt – im Interview mit unserem Stützkursdozenten Rüdiger Schwarz
Groß-Gerau | Jungen Zugewanderten den Weg zu einem Berufsabschluss ermöglichen – dies ist das Ziel des Projektes Wirtschaft integriert, dem landesweiten Projekt des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung. Im Projektbaustein Ausbildungsbegleitungplus erhalten die Teilnehmenden Stützkurse zur berufsbezogenen Sprachförderung und Fachtheorie. Die Stützkurse werden von Lehrkräften durchgeführt, mit deren Unterstützung die Auszubildenden den Berufsschulunterricht nachbereiten und sich außerdem auf anstehende Prüfungen vorbereiten. So auch unser langjähriger Dozent Rüdiger Schwarz, der seit 4 Jahren in vielen Handwerksberufen im BWHW unterrichtet. Im folgenden Interview spricht Herr Schwarz über seine Erfahrungen im Bildungswerk und erzählt wie er auch die Umstellung auf den Online-Unterricht gemeistert hat.
BWHW: Hallo Herr Schwarz, wir freuen uns Sie heute interviewen zu dürfen und etwas mehr über Sie und den Online-Unterricht zu erfahren. Was genau machen Sie im BWHW?
RS: „Ich bin Rentner und unterrichte theoretisches Fachwissen in verschiedenen technischen Ausbildungsberufen.“
BWHW: Und welchen beruflichen Hintergrund haben Sie?
RS: „Von Beruf bin ich Diplomingenieur des allgemeinen Maschinenbaus. Ich habe mehr als 40 Jahre in einer Forschungseinrichtung und in der Automobilindustrie gearbeitet. Darüber hinaus führe ich seit meinem Renteneintritt jährlich ein- bis zweimal Entwicklungshilfeprojekte als ehrenamtlicher Experte durch.“
BWHW: Das klingt wirklich sehr abwechslungsreich. Welche Berufe unterrichten Sie?
RS: „Kfz- & Zweiradmechatroniker, Gebäude- und Anlagenelektroniker, Anlagenmechaniker (SHK), Rohrleitungsbauer, Dachdecker, eigentlich alles wo Technik und Mathematik gefragt ist.“
BWHW: Was macht Ihnen als Dozent am meisten Spaß?
RS: „Mich reizt die Arbeit mit jungen Leuten, die einen Handwerksberuf ergreifen wollen. Manche davon sind Migranten/innen die besondere Unterstützung brauchen, weil ihnen oft die naturwissenschaftliche Grundausbildung aus der Schule fehlt. Mich erfüllt es besonders, wenn sie die Abschlussprüfung bestehen und anschließend genügend Geld verdienen, um ein gutes Leben zu führen.“
BWHW: Was war Ihr schönstes Erlebnis bisher?
RS: „Das war ganz eindeutig die Freisprechungsfeier von zwei afghanischen Anlagenmechanikern und ihre Übernahme durch den Ausbildungsbetrieb.“
BWHW: Haben Sie denn weitere Erfolge in Ihrer Arbeit verzeichnen können?
RS: „Ja, ca. 80% meiner Schüler, die beim BWHW an dem Programm zur Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen [BaE] teilnehmen, bestehen die Abschlussprüfung. Auch im Projekt „Wirtschaft integriert“ wo ich Auszubildende mit Migrationshintergrund unterrichte, gelingt dies. Es ist mit mehr Arbeit verbunden, jedoch gelingt es mir die Menschen zu unterstützen und zu einem erfolgreichen Abschluss ihrer Prüfung bringen.“
BWHW: Das klingt wirklich sehr gut. Und welche Herausforderungen gibt es während der Corona-Zeit?
RS: „In der ersten Welle habe ich online unterrichtet und seit September 2020 habe ich wieder auf Online-Unterricht umgestellt. In der Zwischenzeit, während des Präsenzunterrichts, hatte sich ein Auszubildender auf der Arbeit mit Corona infiziert, auch da musste ich wieder online unterrichten.
Für den Online-Unterricht stehen im BWHW PC-Arbeitsplätze zur Verfügung. Allerdings fehlen vielen Auszubildenden die Grundkenntnisse für die Arbeit am PC. Handys sind für den Online-Unterricht eher ungeeignet, weil ich die Arbeitsmaterialen auf dem Bildschirm zeigen und mit den Auszubildenden bearbeiten muss. Zugewanderten Teilnehmenden fehlen zudem PC-Arbeitsplätze oder ein leistungsfähiges Internet in den Betreuungseinrichtungen. Es gibt bei Ihnen keine Oma, die mal eben einen Computer finanziert. Hier müsste durch Spenden oder durch finanzielle Hilfen der Berufsschulen bzw. der Ausbildungsbetriebe nachgebessert werden.“
BWHW: Wie war für Sie die Umstellung auf den Online-Unterricht? Wie gelang Ihnen in kurzer Zeit die Einarbeitung in unser digitales Format?
RS: „Die Umstellung auf Online-Unterricht war für mich keine besondere Herausforderung, da ich früher schon beruflich viel mit Videokonferenzen gearbeitet habe. Dadurch verfüge ich auch über eine Webcam und leistungsfähige Mikrofone. Hinderlich war, dass ich die Teilnehmenden nicht sehen konnte. Bei mehreren Teilnehmenden war schwer zu identifizieren, wer gerade spricht. Die Bereitstellung der Unterrichtsmaterialien auf digitales Format war relativ zeitraubend. Ich konnte mich jedoch auf tatkräftige Hilfe der BWHW-Kolleginnen stützen. Ich hätte mir gerne zusätzlich eine Whiteboard Software gewünscht, um Erklärungen einfach skizzieren zu können. Die Zeichenfunktion von Go-To-Meeting ist dazu unzureichend. Stattdessen habe ich PowerPoint benutzt, das aber für diesen Zweck relativ umständlich zu bedienen ist.“
BWHW: Herr Schwarz, vielen Dank für Ihre Zeit und das spannende Interview. Wir wünschen Ihnen weiterhin schöne Erlebnisse mit unseren Teilnehmenden.
RS: Danke, immer wieder gern.
Wirtschaft integriert ist ein Projekt des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen. Es wird gefördert aus Mitteln des Landes Hessen, des Europäischen Sozialfonds [ESF], den Agenturen für Arbeit sowie den Jobcentern. Kooperationspartner sind die Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit, der Hessische Handwerkstag und die Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Industrie- und Handelskammern. Das BWHW koordiniert das Projekt Wirtschaft integriert und arbeitet bei der Durchführung mit den beteiligten Bildungseinrichtungen zusammen.
Für weitere Informationen zum Projekt Wirtschaft integriert können Sie sich gern an Frau Christiane Wick wenden:
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