Dazugehören und Vorbild sein
Limburg | Maryam und Julija möchten gerne Verkäuferinnen werden. Milite träumt von einer Arbeit als Kosmetikerin und Hülya würde gerne putzen gehen. Mit Mitte dreißig sind diese Frauen im besten Alter für eine Erwerbstätigkeit und ihre Berufswünsche sind keineswegs utopisch. Aber sie sind seit ihrer Einreise in Deutschland ausschließlich als Hausfrau und Mutter tätig, auch wenn sie in ihren Herkunftsländern teilweise bereits erwerbstätig waren.
Der Spagat zwischen Berufsleben und Familie ist schon für viele Frauen nicht einfach, die hier eine qualifizierte Ausbildung erhalten haben und fließend deutsch sprechen. Für Frauen mit Migrationshintergrund ist es ungleich schwieriger, sich einen Platz in der Arbeitswelt zu sichern. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Meist sind sie mit anderen kulturellen und gesellschaftlichen Normen aufgewachsen und vielfach, ebenso wie die Männer, von traditionellen Frauen- und Familienbildern geprägt.
Eine Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte zeigt, dass die Ressourcen von geflüchteten Frauen in Deutschland bisher noch wenig wahrgenommen wurden. Dabei kommen zu fachlichen und persönlichen Qualifikationen häufig noch besondere Fähigkeiten, die durch das Flüchtlingsschicksal erworben wurden. Wenig beachtet wird auch das Potenzial, das die Mehrsprachigkeit vieler Frauen bietet. Die Identifikation dieser individuellen Ressourcen ist der zentrale Ausgangspunkt für eine zielgerichtete Förderung und Vermittlung in Arbeit.
Seit Mitte Januar bietet das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V. im Auftrag des Jobcenters Limburg–Weilburg eine individuelle Maßnahme für Migrantinnen zur Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt an. Ziel ist es, die Potenziale der geflüchteten Frauen zu erkennen und zu stärken, die Sprachkenntnisse zu erweitern und sie schließlich in eine versicherungspflichtige Ausbildung oder Beschäftigung zu vermitteln.
Im Landkreis Limburg-Weilburg ist rund die Hälfte der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Frauen. Der Anteil der Frauen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern liegt jedoch nur bei unter zehn Prozent. Diese Asylherkunftsländer sind Syrien, Irak, Afghanistan, Eritrea, Iran, Pakistan, Somalia und Nigeria. Die geringe Zahl der berufstätigen Frauen aus diesen Ländern zeigt, dass hier noch Entwicklungsmöglichkeiten sind. Gerade Frauen sind aber häufig in den traditionellen Familienverpflichtungen eingebunden. Hier gilt es, die Denkstruktur aufzubrechen und neue Perspektiven aufzuzeigen. Deshalb ist diese Maßnahme sehr gut geeignet, Frauen auf den deutschen Arbeitsmarkt vorzubereiten, sagt Anne Fachinger vom Jobcenter Limburg-Weilburg. Der nächste Kurs beginnt Mitte Juni und interessierte Frauen können sich direkt an Anne Fachinger beim Jobcenter Limburg-Weilburg, Telefon: 06431-215236, wenden.
Derweil pauken Maryam, Julija und rund zwanzig weitere Frauen täglich vormittags Vokabeln und Grammatik, sie lernen einen Lebenslauf zu erstellen und erhalten ein Bewerbungstraining. In individuellem Coaching werden Kompetenzen identifiziert und gefördert. So wird geklärt, wer beispielsweise besonders kommunikationsstark ist und im direkten Kundenkontakt aufblüht. Andere sind sehr empathisch und daher möglichweise für die Arbeit in Seniorenheimen prädestiniert. Auch eine Unterstützung bei der Organisation der Kinderbetreuung wird durch die erfahrenen Sozialpädagoginnen des Bildungswerks angeboten. Zudem können die Frauen in einem vierwöchigen Betriebspraktikum die Berufspraxis kennenlernen und ihre teils neu erworbenen Fähigkeiten erproben. Schließlich sollen die Frauen am Ende der Maßnahme in eine Ausbildung oder sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vermittelt werden.
Maryam aus dem Irak ist zuversichtlich, dass ihr durch die Teilnahme an dem Kurs endlich der Einstieg in das Berufsleben in Deutschland gelingt. Eifrig macht sie beim Deutschkurs mit und hakt bei Unklarheiten immer wieder nach. Auf die Frage, warum ihr das Arbeiten so wichtig ist, lacht sie: „…ich möchte Teil dieses Landes sein und ein gutes Vorbild für meine Tochter!“.
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