Großer Gelehrter mit Startschwierigkeiten

„Das Geheimnis aller Erfinder ist, nichts für unmöglich anzusehen.“ Getreu diesem Motto forschte Justus Liebig (1803-1873), der als Begründer der organischen Chemie gilt und aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit in Gießen zum Namensgeber der dortigen Universität wurde.

Um den Teilnehmenden der Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme im Vogelsberg einen Einblick in die Pionierleistungen dieses Forschers vor fast 200 Jahren zu ermöglichen, unternahmen die Standorte Alsfeld und Lauterbach mit den Fachdozenten Claudia Kreller und Klaus Müller sowie dem Bildungsbegleiter Timo Newald eine gemeinsame Abschlussfahrt ins Liebig-Museum nach Gießen.

 

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Der Experimentator Dr. Herbert Lepper, zeitgenössisch bekleidet mit Frack, Fliege und Zylinder, empfing die Gruppe in Liebigs Originalhörsaal, in dem dieser Mitte des 19. Jahrhunderts seinen Studenten Chemie lehrte. Er las dabei nicht, wie damals üblich, nur aus Büchern vor, sondern veranschaulichte seine Lehre mit spektakulären Experimenten, weshalb er auch als Begründer der Experimentalvorlesung gilt. Nach dem gleichen Prinzip, unterstützt durch moderne Präsentationstechniken, zog Dr. Lepper die Besucherinnen und Besucher des Bildungswerks in seinen Bann. Zu den verschiedenen Lebensphasen und Errungenschaften Liebigs gab es passende Experimente, wobei es funkte, rauchte und knallte. Aus dem brennenden Gemisch von Zucker, Salzen und Asche entstand eine schwarze Schlange, selbst hergestellte Knallerbsen durften vom Publikum zur Explosion gebracht werden, eine mit flüssigem Stickstoff schockgefrostete Banane fungierte als Hammer, und in einem Kolben entstand durch Erhitzen von Lösungen ein Silberspiegel, als dessen Erfinder Liebig gilt.

Doch nicht nur weitere Erfindungen und Entdeckungen wie die des Kunstdüngers, des Chloroforms, der Säuglingsnahrung, des Backpulvers und eines Vorläufers der Maggi-Würze stellen beeindruckende Meilensteine in Liebigs Lebenslauf dar. Er hatte auch viele berühmte Schüler, die Unternehmen wie Bayer, Hoechst oder BASF mitbegründeten, und eine ganze Reihe von späteren Nobelpreisträgern für Chemie stammt aus Liebigs Schule.

Und all das, obwohl der junge Justus mit 15 Jahren die Schule verlassen musste und seine anschließende Apothekerlehre bereits nach zehn Monaten sprichwörtlich mit einem großen Knall vorzeitig endete, da Liebig unbedacht mit dem von ihm geschätzten Knallsilber experimentiert hatte. Dies hatte ihm sein Lehrer schon prophezeit: „Du bist ein Schafskopf, bei dir reicht es nicht mal zum Apothekenlehrling!“ Er ließ sich jedoch nicht entmutigen, nahm ein Chemiestudium auf und wurde bereits mit 20 Jahren in Gießen zum außerordentlichen Professor ernannt. Neben Talent, Willenskraft und Forscherdrang waren Liebig dabei gelegentlich auch einflussreiche Fürsprecher inklusive finanzieller Zuwendungen hilfreich - eine Mischung, die auch heute noch nicht selten die Initialzündung beruflichen Erfolges ist.

 

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Zum Abschluss führte Dr. Lepper die Teilnehmenden sowie die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch das Museum. Mit weiteren unterhaltsamen Anekdoten aus dem Leben Liebigs und interessanten Fakten brachte er ihnen das Laboratorium des Chemikers, sein Büro und einige von ihm erfundene Gerätschaften nahe. Die Besuchergruppe verließ das Liebig-Museum mit faszinierenden Eindrücken aus einer vergangenen Zeit, deren Errungenschaften doch so wichtig für unsere moderne Welt sind. Und die Teilnehmenden hatten in Justus Liebig zudem jemanden kennengelernt, der trotz des einen oder anderen Rückschlags in jungen Jahren großen Erfolg im Beruf und auch ein erfülltes Privatleben hatte.

 

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