Holzbänke für Kinder: Tätige Nachbarschaftshilfe in Heddernheim
Frankfurt | Fingerfarben, Kekse und ein Dankeschön: Kita Oranienstraße freut sich über die Bänke, die junge Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte für die Kids gebaut haben
„So kommt man im Stadtteil miteinander ins Gespräch und erfährt, was für tolle Unterstützungs-möglichkeiten für junge Menschen quasi nebenan geboten werden.“ Iris Butz-Riess [o., 4. v. l.], die Leiterin des Kinderzentrums Oranienstraße in Heddernheim, empfängt die Besucher vom Bildungs-werk der Hessischen Wirtschaft e. V. und zeigt sich beeindruckt von der dort geleisteten Arbeit.
So hatten junge Teilnehmer des Projekts „Perspektiven für Migranten“ [PerMig], das das BWHW im Auftrag der Agentur für Arbeit durchführte, im Kurs „Holz, Metall und Farbe“ zwei stabile Holzbank-Garnituren gebaut, um sie den Kleinen des Kinderzentrums in der Oranienstraße zu schenken. Drei ehemalige Teilnehmer waren stellvertretend zur feierlichen Übergabe gekommen.
Die Kinder bedankten sich herzlich mit fröhlichem Jubel und einem selbst gebastelten, bunten Plakat. Sie durften ihre Bänke zuvor schon ausprobieren. „Die werden gern genutzt zum Spielen, zum Essen und zum Ausruhen“, berichten Frau Butz-Riess und ihre Mitarbeiterinnen.
Auch die jungen Männer, die die Holzbänke gebaut haben, freuen sich natürlich, dass ihre Möbelspende so gut ankommt. „Es ist schon toll, welche Möglichkeiten den Kleinen hier in der Kita geboten werden“, findet Mustafa H. „Wie unbeschwert sie spielen und dabei experimentieren und lernen können. Wenn ich da an die Situation der Kinder in meiner Heimat Iran denke, werde ich ganz traurig.“ Ganz ähnlich empfindet es Murtaza F. aus Mazar-i-Sharif: „Ich freue mich sehr darüber, dass mein kleiner Sohn in Deutschland eine Kita besuchen darf. Die Kinder in Afghanistan können von einer solchen Chance nur träumen“.
Die erste Gruppe „Perspektiven für Migranten“ war vom 12. Februar bis zum 10. August 2018 beim Bildungswerk, die zweite vom 3. September 2018 bis zum 26. April 2019. In der ersten Gruppe wurden insgesamt 16 Teilnehmer über die Monate begleitet: acht von ihnen aus Afghanistan [darunter ein Ehepaar], drei junge Männer aus Äthiopien, einer aus dem Iran, einer aus Kroatien, einer aus Polen, ein 35-jähriger Teilnehmer aus Pakistan sowie ein junges Mädchen aus Portugal.
Das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e. V. unterstützt die Jugendlichen und jungen Erwachsenen dabei, sich im deutschen Schul- und Ausbildungssystem zurechtzufinden, ihre eigenen Kompetenzen zu entdecken und zutage zu fördern sowie durch praktische Erprobung die Arbeitswelt kennenzulernen. Im berufsbezogenen Sprachunterricht verbessern die jungen Menschen ihre Deutschkenntnisse und schulen ihre mündliche wie schriftliche Ausdrucksfähigkeit. Dabei spiegeln die behandelten Themenkomplexe ihre Alltagswirklichkeit wider, befähigen sie, sich in ihrer neuen Realität zu orientieren und helfen ihnen bei der Integration in Deutschland. Die Teilnehmenden erhalten ausreichende Kenntnisse zu den Zugangsvoraussetzungen, Bedingungen und den Anforderungen in verschiedenen Ausbildungen, Berufsfeldern und der Arbeitswelt allgemein..
Ziel und Zweck der im Auftrag der Agentur für Arbeit Bad Homburg und Frankfurt durchgeführten Projekte war es, gemeinsam mit den jungen Menschen und den sie über diese Monate begleitenden Sozialpädagogen, Anleitern und Lehrkräften eine individuelle Zukunftsperspektive zu entwickeln. Dieser Berufswunsch – oder Traumberuf – wird dann in persönlichen Gesprächen mit den vorhandenen und zu fördernden Kompetenzen abgeglichen und daraus eine Strategie abgeleitet. Durch seine vielfältigen Kontakte zu Unternehmen der Rhein-Main-Region hilft das BWHW bei der Suche nach geeigneten Betriebspraktika, in denen die Teilnehmenden die Berufswirklichkeit kennenlernen und ihre eigenen Fähigkeiten erproben können. Bei der Recherche werden sie intensiv unterstützt und durch moderne Methoden des Bewerbungsmanagements auf die Stellensuche vorbereitet.
Es ist ein schöner Erfolg, wenn die jungen Teilnehmer mit der Hilfe des Bildungswerks einen Ausbildungsplatz in ihrem Wunschberuf – oder einem für sie passenden – erhalten können oder direkt den Weg in den Arbeitsmarkt finden. Die praktischen Ansätze innerhalb des Projektes bieten
den jungen Menschen die Möglichkeit, ihre kreativen Fähigkeiten zu erkennen und auszuprobieren.
Im Gastronomie-Projekt haben sie Abschlussfeste für alle Teilnehmer und Mitarbeiter organisiert, Rezepte umgerechnet, Lebensmittel gekauft, alle Speisen gekocht und die Räume hübsch dekoriert.
Im Kurs „Holz, Metall und Farbe“ bauten die Teilnehmer die stabilen Holzbänke für die Kleinen im Kinderzentrum Oranienstraße – eine tolle Idee des erfahrenen Fachanleiters Florian Fischer. Dabei konnten sie nicht nur ihre handwerklichen Fähigkeiten erproben und ihr kreatives Potenzial entdecken, sondern darüber hinaus mit ihren Mitbürgern in Heddernheim in Kontakt treten, etwas ebenso Schönes wie Nützliches schaffen und dafür Wertschätzung von anderen erfahren. Was für ein schöner Erfolg!
Obwohl der Kurs schon etwas zurückliegt, sind die jungen Männer zur Übergabe der Bänke erschienen, weil sie sich für die Unterstützung des BWHW bedanken möchten. Sie hat sie auf ihrem Weg in Deutschland ein gutes Stück vorangebracht. Denn die Integration ist nicht leicht:
Murtaza F. (27, l.) stammt aus Masar-e-Scharif. Vor seiner Flucht 2015 besuchte er in Afghanistan zwölf Jahre lang die Schule. Nach seinem Abitur studierte er an der Universität sieben Semester Literatur (Dari). Daneben war er seit 2002 als Fotograf tätig und arbeitete von 2012–2015 als Kameramann für einen Radio- und TV-Sender. Durch das BWHW-Projekt „Perspektiven für Migranten“ fand er ein Praktikum bei einem Fotografen, der sich sehr lobend über ihn und seine Leistung äußerte. Dennoch sind die Zukunftsperspektiven in Murtazas Traumberuf, den er in seiner Heimat lernte und ausübte, hierzulande schlecht. Deshalb konzentriert er sich zunächst darauf, seine Deutschkenntnisse zu verbessern. An der Volkshochschule hat er seine A2-Prüfung bestanden und besucht derzeit einen B1-Sprachkurs. Beworben hat sich Murtaza als Auslieferungsfahrer und Küchenhilfe; er könnte sofort anfangen, muss aber noch einige Wochen auf seine Arbeitserlaubnis warten. Er ist verheiratet und hat einen fünfjährigen Sohn.
Mustafa H. (21, Mitte) ist ebenfalls afghanischer Herkunft, aber in Shiraz im Iran geboren. Dort besuchte er das Gymnasium bis zur 11. Klasse. Aufgrund der gewaltsamen Konflikte floh er 2016 aus dem Iran und kam in Deutschland zunächst bei seinem Bruder und dessen Frau in sehr beengten Verhältnissen unter. Mustafa H. lernte sehr motiviert und ehrgeizig Deutsch. In der kurzen Zeit, seit er hier ist, bestand er bereits die B2-Prüfung und hat sich für einen C1-Sprachkurs angemeldet (C2 = muttersprachliches Niveau). Außerdem spricht er Dari, Persisch und Englisch. Sein Realschulabschluss wurde in Deutschland anerkannt. Mustafas Wunschberuf ist Kaufmann im Einzelhandel. Er absolvierte zwei Praktika – u. a. bei einer renommierten Kaufhauskette – mit Erfolg und guter bis sehr guter Beurteilung. Derzeit bewirbt er sich um einen Ausbildungsplatz, und er konnte umziehen.
Zakariyae D. (22, r.) war Teilnehmer der zweiten Gruppe. Er wurde in Nador in Marokko geboren. Dort besuchte er von 2003–2014 die Schule und absolvierte sein Abitur an der gymnasialen Oberstufe, Zweig Human- und Geisteswissenschaften, in Oujda. Es wurde ihm in Deutschland als Realschulabschluss anerkannt. Außer Marokkanisch spricht er gut Französisch und Deutsch auf B1-Niveau. Zakariyae kam 2015 mit seinem Vater nach Deutschland und lebt bei ihm. Er bemüht sich unermüdlich um ein Praktikum als Automechatroniker, da dies sein Traumberuf ist. Derzeit besucht er beim BWHW eine „berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme“ (BvB), da er noch schulische Unterstützung braucht, um seinem Ziel näher zu kommen und in der Berufsschule bestehen zu können. Zudem jobbt er an zwei Nachmittagen pro Woche als Regalservice in einem Lebensmittelmarkt.
Alle hatten viel Spaß bei der offiziellen Übergabe der Bänke: Die fröhliche Stimmung der Kleinen und das quirlige Treiben in der Kita Oranienstraße wirkte ansteckend. Die jungen Migranten zeigten sich beeindruckt von den vielfältigen Möglichkeiten, die den Kindern in den schönen Räumlichkeiten geboten werden. Am Ende des erfolgreichen Tages gab es Kuchen und Saft für Groß und Klein.