Mehr Inklusion wagen I Ein Beitrag zum Projekt EAA in der Frankfurter Rundschau

Berater unterstützt Unternehmen bei der Einstellung von Menschen mit Behinderung

HOCHTAUNUS - Martin Baier ist zufrieden. Der Geschäftsführer der Entergon GmbH in Friedrichsdorf beschäftigt zwei Mitarbeiter mit Schwerbehinderung. Es läuft für das Unternehmen und die beiden Beschäftigten sehr gut. „Das sind total engagierte Menschen, die bei uns das Gefühl bekommen, auf Augenhöhe tätig zu sein und dafür dankbar sind.“ Die Entergon GmbH ist ein IT-Dienstleister und nach eigenen Angaben führender Cloud- und Service-Anbieter für Mobile App- und Web-Lösungen. Baier betont den Fachkräftemangel in der IT-Branche: „Hier besteht gerade für Menschen mit Schwerbehinderung eine besondere Chance durch Beschäftigung in Teilzeitarbeit.“

Dieses Potenzial wird von vielen Arbeitgebern aber noch nicht ausgeschöpft. Oftmals seien sie von Vorurteilen gehemmt, heißt in einem Papier des Bundesarbeitsministeriums. Unternehmer glaubten, Behinderte seien prinzipiell weniger leistungsfähig als andere Beschäftigte. Oft ist aber gerade das Gegenteil der Fall. Nach einer Forsa-Umfrage können drei Viertel aller Betriebsleiter keine Leistungsdiskrepanzen feststellen. Darüber hinaus hätten Behinderte besondere Fähigkeiten, die sie für bestimmte Gebiete besser qualifizieren als andere Arbeitnehmer. Laut einer Studie der Bundesagentur für Arbeit ist der Fachkräfteanteil bei schwerbehinderten Arbeitslosen mit 60 Prozent höher als bei anderen Arbeitslosen mit 50 Prozent.

In Baiers Unternehmen habe die Einstellung eines Menschen mit Schwerbehinderung zu großer Loyalität der Mitarbeiter geführt: „Die Teambildung wurde gestärkt, und wir haben die Außendarstellung des Unternehmens verbessert.“ So absolvierten bereits zahlreiche Schüler mit Handicap hier ein Praktikum. Viele von ihnen kehrten als Studienpraktikanten zurück.

Noch besser läuft es für Baier und sein Team, seit es die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) gibt - der Gesetzgeber hatte das Teilhabestärkungsgesetz verabschiedet, um die Situation von Menschen mit Behinderung zu verbessern. Im Hochtaunuskreis ist der Grävenwiesbacher Christof Groß der zuständige Fachberater, der seit einigen Monaten Arbeitgeber bei der Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung berät.

Damit will Groß dem Automatismus entgegenwirken, der ganze Förderschulklassen nach dem Abschluss in Behindertenwerkstätten abliefere, oftmals ohne den Einzelfall zu prüfen. Vielen schwerbehinderten Menschen bleibt nichts anderes übrig, als in einer solchen Einrichtung zu arbeiten, obwohl sie vielleicht auch auf dem regulären Arbeitsmarkt gut aufgehoben wären. Zwischen 2000 und 2010 stiegen die Beschäftigungszahlen in Behindertenwerkstätten um fast 41 Prozent.

Überzeugt von der Netzwerk-Idee

Eine der ersten von Groß erfolgreich beratenen und unterstützten Firmen ist die Entergon GmbH in Friedrichsdorf. Entergon-Geschäftsführer Baier hatte EAA-Berater Groß auf der Ausbildungsmesse kennengelernt und nutzt seitdem dessen Unterstützung. Er ist überzeugt von der neuen Idee eines Netzwerks für Arbeitgeber und dem Mehrwert für seinen Betrieb durch fachliche Beratung zur Einstellung und Begleitung von Menschen mit Behinderung. Zu den Aufgaben der EAA-Berater gehört nicht nur, für das Thema zu sensibilisieren. Die EAA unterstützen auch dabei, etwa Anträge bei den zuständigen Behörden zu stellen.

Oberstes Ziel ist, mehr Menschen mit Schwerbehinderung in Lohn und Brot auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Noch immer gibt es in Hessen private und öffentliche Arbeitgeber, die nach dem SGB IX verpflichtet sind, Menschen mit Schwerbehinderung zu beschäftigen, sich aber ihrer Verpflichtung durch Zahlung einer Ausgleichabgabe entziehen. Bei der Erhebung der Ausgleichsabgabe 2022 gab es im Hochtaunuskreis 296 Arbeitgeber, die ihre Beschäftigungspflicht nicht erfüllten und lieber insgesamt 4,26 Millionen Euro als Kompensation zahlten. Im Hochtaunuskreis ist das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft in Bad Homburg Träger der EAA-Beratung. In Hessen waren Anfang 2022 109 000 Menschen mit Schwerbehinderung sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Arbeitslos gemeldet waren im selben Zeitraum rund 11 000 Menschen mit Schwerbehinderung. EAA-Berater Groß ist überzeugt: „Gerade im Hinblick auf Fachkräftemangel kann mehr Inklusion Teil der Lösung sein. Schwerbehinderte Menschen sind vielfach leistungsstark, motiviert und gut qualifiziert.“ Inklusion sei auch eine Frage der ökonomischen Vernunft, heißt es aus dem Bundesarbeitsministerium. Menschen mit Behinderung für den Arbeitsmarkt zu gewinnen, sei ein unterschätztes Thema. Rund 166 000 Menschen stünden zu Verfügung, wenn das Potenzial besser ausgeschöpft würde.

Dass das geschieht, dafür will sich Groß als EAA-Berater einsetzen und Hindernisse beseitigen: Neben den Vorurteilen sieht er noch ein Hemmnis: „So manches Unternehmen scheut die komplexen Zuständigkeits- und Förderstrukturen oder hat einfach keine personellen Kapazitäten, sich in das Themengebiet einzuarbeiten.“ Viele kleine Firmen wüssten nicht, dass sie auch von den Integrationsämtern fachliche und auch finanzielle Beratung erhalten könnten, um Stellen für Menschen mit Behinderung zu schaffen.

Kontakt

Christof Groß
EAA-Fachberater
Ober Eschbacher Straße 109
61352 Bad Homburg
T: 06172 68043-29
M: 0151 44157327

E:

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